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Wir waren 2016 bei KiR:

Christian Springer
Philipp Weber
Chin Meyer
Alice Hoffmann

Alice Hoffmann gibt als Vanessa Backes Grundkurs in Saarländisch

Dramaturgisch geschickt präsentierte die Schauspielerin und Kabarettistin Alice Hoffmann ihr Programm "Denk emol" auf der KiR-Bühne. Beginnend als bieder-naive Allerweltsfrau verwandelte sie sich zum krönenden Abschluss in einem furiosen Tanz mit einem echten Spagat endend aus der Bühnenfigur Vanessa Backes in die tatsächliche Alice Hoffmann. Alice Hoffmann ist Vanessa Backes und als solche gab sie bei ihrem Gastspiel in Rheinstetten nicht nur einen überzeugenden Grundkurs Saarländisch, sondern gewährte auch einen tiefen Blick in das Seelenleben einer Frau, die das wahre Wesen des Mannes erkennen musste.

 

Ohne ihn beim Namen zu nennen, wusste der ganze Saal, wen sie meinte, als sie von der Sensibilität ihres Verflossenen erzählte, dessen stereotyper Kommentar zu Vielem war: "Oh geh fort" oder "Hauptsach gut g?ess". Im Saarland sind die Frauen nicht weiblich. Sie sind ein grammatikalisches Neutrum, also ein sächliches "Es": es Hilde, es Erika, es Angela, es Lisbeth. Nicht die Frau sitzt am Tisch, "es sitzt doo". Aber ihre Welt änderte sich nach ihrer Scheidung. "Wenn mer mol koi Mann meh hat, kummt mer zum Denke!" So habe sie erst spät erkannt, dass in ihrer Wohnung mal eingebrochen worden war, was sie damals nicht bemerkte, weil sie der Überzeugung gewesen war, ihr Verflossener habe nur nach einem Hemd gesucht.

 

Nicht ganz ohne Stolz stellte Vanessa Backes fest, dass sie nun im saarländischen Landtag sei, um dann nach einer kurzen Pause hinzuzufügen: "als Putzfrau". Vanessa Backes Ausflüge ins politische Kabarett, ihre Anmerkungen waren zwar nicht mehr topaktuell, aber für einen Teil des Publikums ist es immer noch interessant, an die Haltung von "es Angela" zum Irak-Krieg und ihr Verhältnis zu Georg W. Bush erinnert zu werden oder die verzwickten Verhältnisse des Hauses Windsor entwirrt zu bekommen. Nahezu aufklärerischen Charakter hatte die Antwort auf die Frage: Wie macht der Pfälzer Marmelade? - Indem er Berliner schält.

 

Aber auch Vanessa Backes immerwährender Kampf mit den Fremdwörtern sicherte Alice Hoffmann den Beifall ihres Publikums.

Chin Meyers musikalische Finanzanalyse: "Das ist Wahnsinn..."

Es ist schon seltsam, wenn erwachsene Menschen dafür Beifall spenden, dass ihnen ein angeblicher Finanzexperte, der sein BWL-Studium auf der freien Waldorf-Universität abschloss, das Bruttoinlandsprodukt und die Euro-Finanzkrise vortanzt. Noch erstaunlicher ist es, dass sie überzeugt sind zu verstehen, was Chin Meyer meint.

 

Da kann man nur sagen: "Willkommen in der absurden Welt der Banken und Finanzen" oder "Ach wie schön ist Panama". Für den unbekehrbaren Raucher ist es tröstlich von dem pomadigen, im grauen Sakko agierenden Steuerfahnder Siegmund von Treiber alias Chin Meyer zu erfahren, dass er als Kettenraucher im Laufe seines Lebens durch seine Steuern eine Kindertagesstätte finanzieren, also etwas Gutes tue. Wer an diesem Abend in den ersten Reihen sitzt, muss immer damit rechnen Bestandteil des Programms zu werden. Denn Chin Meyer sucht im Publikum "seine Opfer", fragt nach Name, Beruf, Steuererklärung, fordert die Besucher zur aktiven Teilnahme auf. Ganz praktisch vermittelt er ihnen so die gefühlt tausend Steuerarten in Deutschland, die er in einem Tempo herunterrattert, das atemberaubend ist.

 

Sein finanzielles Krisenmanagement ist geprägt von Begeisterung, Angst und Vertrauen. Alle drei Elemente bilden nach Chin Meyer die Basis, um tatsächlich reich werden zu können. Begleitet wird der Finanzkabarettist auf der KiR-Bühne von dem großartigen Jazz-Pianisten Andreas Gundlach, der mit seinen Soloeinlagen am Klavier und mit der Pan-Flöte das Publikum verzaubert.

 

Ebenso wie Chin Meyer mit seiner musikalischen Finanzanalyse einen Volltreffer landet. Dabei kommt sein vielseitiges künstlerisches Talent voll zur Geltung, wenn der Entertainer und gelernte Musical-Sänger mit seiner eindrucksvollen Stimme bekannte Schlager mit bissiger Satire paart. Da wird dann Tina Turners "Private Dancer" zum "Private Banker", Billy Joels "We didn?t start the fire" zu "Wir wollen nie die Krise" und schließlich singt Meyer mit Mireille Mathieu "Akropolis adieu" oder stellt schlicht fest "Das ist Wahnsinn".

 

Ach ja, Jan Böhmermann war auch Thema. Dieser ist, so Chin Meyer, eine Sau. Denn er habe es geschafft, dass die deutsche Kanzlerin und der türkische Staatspräsident für ihn Werbung machen. Das sei unbezahlbar.

Philipp Webers "Futter" auf der KiR-Bühne war ein Festessen!

Philipp Weber, der zum zweiten Mal auf der KiR-Bühne auftrat, bot mit seinem Programm "Futter - streng verdaulich" ein wahres Festtagsmenü. In einer unnachahmlichen Geschwindigkeit servierte er einen Gang nach dem andern, was sich zu einer kabarettistischen Genussorgie steigerte. Der Mann aus Amorbach im Odenwald entpuppte sich ein weiteres Mal als hyperaktiver Turboquassler. Trotz des durchaus ernsthaften Themas war die Pointenfolge sensationell. Das Lachen wollte kein Ende nehmen. Der Schlussbeifall ebenso. Die Art und Weise wie Philipp Weber seine Botschaft dem Publikum vermittelt, ist ganz besonders. Obwohl eine unvergleichliche Faktenfülle auf die Zuhörer einprasselt, haben sie nie das Gefühl belehrt zu werden, sondern sie lernen durch lachen. Zunächst einmal ist die Geschwindigkeit seiner Wortsalven gewöhnungsbedürftig und die Leitungen zwischen Ohr und Gehirn müssen neu justiert werden, um alles verarbeiten zu können. Wer sich beim Lachen nicht einbremsen kann, verpasst schon die nächste Pointe und erfährt nie, warum indische Restaurants Namen tragen wie "Palast der Winde". Schon die griechischen Philosophen verkündeten "Du bist, was du isst". Aber genau das sei unser Problem. Denn wer wisse schon, was er tatsächlich esse. Wie zum Beweis verwickelt der Kabarettist sein Publikum in ein Ratespiel. Er verliest die Zutatenliste von Fertigprodukten und lässt erraten, was sich dahinter verbirgt. Der Aha-Effekt löst sich in Lachen auf. So ganz nebenbei erfährt man, dass 6 Prozent des niederländischen Biodiesels aus Rindfleisch hergestellt werde und erst seit 1986 das Schlachten von Hunden in Deutschland gesetzlich verboten sei. Ekel, so erklärt Philipp Weber, sei ein kulturelles Konstrukt und Omega 3 der Planet von dem die meisten aller Ernährungsberater stammen. Der bei deutschen Bauern übliche Einsatz von Antibiotika bei der Tieraufzucht führe dazu, dass Nürnberger Würstchen bei anderen Völkern als Zäpfchen Verwendung finden und zur Reinheit des Biogemüses aus China habe er weniger Vertrauen als zum Sexspielzeug aus dem Vatikan. Überhaupt: den derzeitigen Mainstream von Vegetariern, Veganern, Frutariern entlarvt Philipp Weber, in dem er die Einladung seiner dem Zeitgeist frönenden Freunde zum gemeinsamen Essen zum durchgehenden Handlungsstrang des Abends macht und in der Überzeichnung der massenweise vorhandenen Intoleranzen auf unser teilweise irrationales Verhalten hinweist. Für das Publikum der KiR-Bühne in der erneut gut besuchten Aula der Schwarzwaldschule war es ein anstrengender Abend, der Gehör und Zwerchfell zu Höchstleistungen animierte und dem Künstler Philipp Weber rauschenden Beifall und viel Lob bei den Gesprächen nach der Vorstellung beim Signieren seines Buches einbrachte.

Christian Springer begeistert als Kabarettist und als Orienthelfer

Es war eine gelungene Premiere in der neuen Spielstätte der KiR-Bühne. Die Aula der Forchheimer Schwarzwaldschule entfaltete ihre eigene Atmosphäre und der Münchner Christian Springer überzeugte sowohl als politischer Kabarettist als auch als "Orienthelfer", als einer, der nicht nur redet, sondern der tatsächlich etwas tut! Anknüpfend an die Begrüßung durch Christoph Lembach begann Christian Springer den Kabarett-Abend bei KiR mit dem Hinweis auf seinen 80-seitigen Brief an Ministerpräsident Horst Seehofer zur Flüchtlingsthematik. Im Spätherbst 2015 habe er diesen persönlich in der bayrischen Staatskanzlei abgegeben. Seither warte er auf Antwort. Eingehend auf die Äußerungen und Forderungen Seehofers fragt Christien Springer: "Was ist, wenn Sie sich sich irren?" Denn schließlich wäre es nicht das erste Mal, dass sich der bayrische Ministerpräsident täusche. Springer erinnert ihn: "Wenn es jemals Viagra auf Krankenschein geben werde, 'dann erschieß ich mich'. Das waren Ihre Worte im Jahr 1998. Viagra wird inzwischen verschrieben." Und er stellt gegenüber dem "geehrten Landesvater" fest, es könne durchaus sein, "dass es auch in der aktuellen Flüchtlingsdebatte eine andere Wahrheit gibt als die Ihre." Monatlich, so Springer, der Arabisch spricht, sei er persönlich in den Flüchtlingslagern im Libanon um konkret zu helfen. Dabei habe er keine Sog-Wirkung nach Europa festgestellt, sondern immer wieder höre er von den betroffenen Menschen: Ich will wieder heim." Über die Bedeutung der Fremden spricht er auch in seinem Kabarettprogramm. Erhellend ist dabei die Geschichte der deutschen Nationalhymne. Geschrieben im englischen Exil, komponiert von einem Österreicher, dessen Vorlage ein kroatisches Volkslied war. Und schließlich verkneift sich der Kabarettist nicht den Hinweis auf die erste deutsche Nationalhymne der Nachkriegszeit, die beim ersten Besuch von Bundeskanzler Konrad Adenauer in Amerika tatsächlich gespielt wurde: das rheinische Karnevalslied "Heidewitzka, Herr Kapitän". Und er erinnert an die Fähigkeit seiner Landeshauptstadt München innerhalb von knapp zwei Wochen 6 Millionen Menschen aus aller Welt aufzunehmen, um sie dann nach Ende des Oktoberfestes wieder abzuschieben. Christian Springer beklagt den Verlust der letzten Männerdomäne, den Baumarkt. Er sei der letzte Hort einer echten Vater-Sohn-Beziehung, die Welt der Laubbläser gewesen. Doch auch dieser Ort werde nun von starken Frauen erobert. Überhaupt seien starke Frauen seit Jahrtausenden den Männern überlegen. Das sei schon bei den Amazonen im alten Griechenland so gewesen. Grandios sind Springers Einlassungen zur Energiewende insbesondere in Bayern, wo man zwar massenweise Strom wolle - aber ohne Kabel! Um die Akzeptanz der Energiewende im Freistaat zu erhöhen, schlägt der Kabarettist einen neuen katholischen Feiertag vor: den Sankt Windradl-Tag. Und er erzählt die abstruse Geschichte über die Bekehrung des St. Windradl zum Christentum und über das Misstrauen seiner Landsleute gegenüber der Sonnenenergie. Das gehe auf eine mehrstündige Rede von Franz-Josef Strauß in glühender Mittagssonne zurück, wodurch die Bayern erkannt hätten: "davon bekommen die Schwarzen einen roten Schädel!" Auch Springers Erkenntnisse über die Auslandseinsätze der Bundeswehr, die jetzt 'Ertüchtigungsinitiativen' genannt werden, über die Rückkehr des deutschen Staatsgoldes aus Amerika oder das Verhältnis Merkel - Putin ließen das Publikum herzhaft lachen trotz des durchaus ernsten Hintergrunds. Sowohl die Pausengespräche als auch die vielen Gespräche nach Abschluss des Kabarett-Abends zeigten Christian Springer, wie gut er beim Rheinstettener Publikum angekommen war. Das prall gefüllte Kuvert für seine "Orienthelfer" war ein weiterer Beweis für diesen überaus gelungenen Auftritt.